Oberbürgermeisterwahl Stadtpolitik

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Wahlprüfsteine – Bürgeranfragen der Leipziger

Bild von Ulrike Leone auf Pixabay

Im Wahlkampf erhalten die Kandidaten von auch von einzelnen Leipzigern Bitten um programmatische Positionierung. Ich veröffentliche hier, wie ich geantwortet habe.


Ich bitte Sie, die Antworten auf Ihre Fragen unter der Prämisse zu betrachten, daß ich mir für meinen Wahlkampf vorgenommen habe, keine Versprechungen zu machen, die ich nicht ganz sicher werde halten können. Insofern habe ich für die komplexen Probleme, die Sie ansprechen, keine Patentlösungen im Schrank. Ich glaube allerdings auch, daß die Kandidaten, die behaupten, diese zu haben, entweder sehr naiv sind oder bewußt lügen.

Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten:

Mich treibt schon lange das Problem um, dass auch in Leipzig Kinder auf der Straße leben müssen. Es ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig, die Schwächsten und Schutzlosesten, Kinder, sich selbst zu überlassen. Sie brauchen Hilfe! Leider hat keine einzige Partei in Leipzig das auf dem Schirm. Was möchten Sie im Fall Ihrer Wahl konkret unternehmen, damit die Straßenkinder ein sicheres und geschütztes Zuhause bekommen? Wie wollen Sie generell Obdach- und Wohnungslosigkeit in unserer Stadt beseitigen?

Viele Sozialwohnungen in Leipzig sind teurer, als es das Jobcenter für angemessen hält. Wie wollen Sie dieses Problem angehen? Durch billigere Sozialwohnungen? Durch höhere „Angemessenheit“ (KdU)? Noch anders?

Da beide Probleme ja ähnlichen Ursprungs sind, möchte ich beides gemeinsam beantworten:
Ganz generell werden wir den genossenschaftlichen Wohnungsbau stärken. Außerdem prüfen wir ein kommunales Bürgschaftsprogramm, damit mehr Menschen eine Wohnung kaufen können. Dies soll – wenn rechtlich möglich – so greifen, daß die Stadt für Menschen, die ihre gemietete Wohnung per Mietkauf erwerben möchten, aber kein Eigenkapital zur Verfügung haben, eine Bürgschaft übernimmt. Sicher ist das nicht von heute auf morgen möglich, gern möchte ich aber diesen Ansatz juristisch prüfen lassen.
Zudem werden wir wieder mehr Grundstücke für die Stadt kaufen als verkaufen. Wir setzen auf Wohnungen statt Hotels und verhandeln mit Investoren auf Augenhöhe. Die LWB soll zur Querfinanzierung des sozialen Wohnungsbaus auch mehr Wohnungen im Luxussegment anbieten, um die Gewinne aus diesem Markt nicht ausschließlich privaten Investoren zu überlassen. Diese Gewinne sollen stattdessen zur Finanzierung des Sozialwohnungsbaus dienen und so allen zugute kommen.
Ich werde prüfen, ob mehr Notunterkünfte sinnvoll sind und ob man die wegen der vormals steigenden Flüchtlingszahlen auf Jahre im Voraus angemieteten Unterkünfte dafür verwenden kann. Ebenfalls stehe ich für das Konzept „Housing First“, welches aus Finnland bekannt ist. Dort wird versucht, jedem Obdachlosen, der es wünscht, erst einmal ohne Bedingungen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen, um dann weitere soziale Maßnahmen einzuleiten.

Besonderen Eindruck hat die 5. Bundes-Straßenkinderkonferenz im Spätherbst in Leipzig auf mich gemacht. Dort habe ich mit Betroffenen sprechen können, verschiedene Ansätze der Hilfsmaßnahmen kennengelernt und mich auch mit Fachverbänden vernetzen können. Sie dürfen also sicher sein, daß mir das Thema präsent ist und ich hier auch mit den modernen Ansätzen und Maßnahmen bekannt bin.

Viele Beobachter, z.B. die L-IZ, sind der Meinung, dass seit der Ablösung von Herrn Merbitz durch Herrn Schultze ein rauerer Wind in der Stadt weht. Seit den Protesten in der Hildegardstraße/Ecke Eisenbahnstraße gegen eine Abschiebung in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2019 scheint sich Polizeigewalt zu häufen. Wie wollen Sie sich im Fall Ihrer Wahl dazu verhalten?

Ich stehe mit beiden Herren in Kontakt und versuche dafür zu sensibilisieren, daß auch Einzelfälle von Polizeigewalt auf das Ansehen der Polizei als Ganzes zurückfallen. Dennoch ist Polizeiarbeit Landessache und als OBM hat man darauf in Zweifelsfalle wenig Einfluß. Dennoch werde ich mich dafür stark machen, daß wir mehr bürgernahe Polizeikräfte im täglichen Leben haben, die auch das Sicherheitsbedürfnis der Leipziger heben, statt zu Großdemos ein riesiges „Truppen-Aufgebot“, was genauso schnell verschwindet, wie es gekommen ist. Ich wünsche mir, daß die Polizei wieder für alle Bürger da ist, statt punktuell besondere Stärke und Härte zu demonstrieren. Fälle von vermuteter Polizeigewalt gehören gerichtlich geprüft. Ich wünsche mir, daß potentiell Betroffene dies leichter zur Anzeige bringen können und plädiere für eine unabhängige Beschwerdestelle.

Ist Ihnen der „Offene Brief an den Stadtrat – Betreff: Antrag ‚Gegen jeden Antisemitismus'“ (dokumentiert in der L-IZ vom 13. April 2019) von jüdischen Mitbürgern in unserer Stadt bekannt? Wie verhalten Sie sich zum Anliegen des Briefes?

Der Brief ist mir bekannt. Soweit ich mich erinnere, hatte meine Fraktion (Freibeuter) zu dem Stadtratsantrag einen Änderungsantrag gestellt. Insgesamt gesehen bin ich Kommunalpolitiker und kein Außenpolitiker, so daß mir da die fachliche Tiefe für eine abschließende Beurteilung fehlt.
Generell stimme ich zu, daß die Situation von Juden nicht nur in Deutschland viel zu komplex ist, um diese mit einem einzigen und einzelnen Antrag korrekt zu erfassen. Ebenfalls stimme ich zu, daß Diskriminierung mehr Menschen betrifft als nur jüdische Mitbürger und wir daher vielfältige Ansätze wählen müssen, um dem gerecht zu werden.

Über

Leipzigerin aus Leidenschaft. Verliebt in die Stadt. Mutter eines Zirkuskaters. Kennt die beste Eisdiele der Stadt.