Ratsversammlung Reden

Statement für die Freibeuterfraktion zur Einbringung des Haushalts

„Das bißchen Haushalt…“

gehalten in der heutigen Ratsversammlung zu Tagesordnungspunkt 10 (es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Kollegen,

es wurde ja – so ist das am Ende der Rednerliste – schon alles gesagt, nur halt noch nicht von jedem. Insofern werde ich mich kurzfassen können und dann haben wir es auch schon geschafft.

Sie kennen den Schlager „Das bißchen Haushalt…“ „Bißchen“ stimmt in unserem vorliegenden Falle nicht so ganz. Meine Fraktionsgeschäftsstelle hat uns kürzlichst die vollständige Liste der Änderungsanträge zum besagten Haushalt vorgelegt: 321 Stück. Okay, man merkt, es ist Wahlkampf…

Ich möchte es fast Elefantenrennen nennen, so sehr haben sich einige Fraktionen bemüht, wirklich jede Unternehmung der Stadtgesellschaft irgendwie berücksichtigt zu wissen. Dabei so weltbewegende Dinge wie Spülmaschinen und Geld für Menschen, die arme Senioren daheim erschrecken.

Die gute Absicht in allen Ehren, aber es kann doch nicht sein, daß wir uns hier mit diesem puzzeligen Kleinklein befassen müssen. Liebe Kollegen, in aller Kollegialität gefragt: ist das Ihr Ernst??? Das ist ein Zirkus!

Zur Erinnerung: wir sind der Stadtrat der Stadt Leipzig und unser höchstes und vornehmstes Recht ist das Haushaltsrecht. Bitte nehmen Sie dies doch auch genau so: als ein Recht, die Leitlinien des Geldausgebens und Geldeinsparens zu bestimmen. Aber das heißt doch nicht, die Verwendung oder Nicht-Verwendung jedes einzelnen Euros zu überwachen!

Ein Fokus sollte dabei sicher immer auf der Konsolidierung liegen. Daß man nicht mehr Geld ausgeben kann als man einnimmt, ist eine Binsenweisheit, dennoch nicht weniger wahr. Insofern beruhigt es zu wissen, daß der Kämmerer auch hierauf ein Auge hat und die ein oder andere Unternehmung zumindest sanft bremst.

Liebe Kollegen, wo soll denn bitte auch das Geld herkommen? Wir haben keine unendlichen Reserven für zig Millionen Investitionen in zusätzliche Spülmaschinen oder Senioren-Klinkenputzer. Was Sie da vorhaben, führt zu Mondbuchungen in Fantastilliardenhöhe, die uns die Landesdirektion direkt um die Ohren hauen wird – zurecht! Denken wir das mal kurz zu Ende: wir verabschieden einen wunderschönen, nicht genehmigungsfähigen Haushalt. Dann kriegen wir den postwendend einkassiert, fahren ab da nur noch auf Sicht und keiner kriegt, was er wollte. Na schöner Mist.

Das muß uns zum Kerngedanken des Haushalts führen: die Konzentration auf die Pflichtaufgaben einer Kommune. Aktuell – auch das gehört auch im erweiterten Sinne zur Haushaltswahrheit – kriegen wir diese nur sehr unzureichend gebacken. Stichwort: Schulhausneubau, Kitaplätze usw. Hier verwundert es dann auch sehr, daß mancher schon weitere Gelder für diese Aufgaben einstellen will, wo doch die alten Budgets noch nicht mal aufgebraucht sind.

Man könnte entschuldigend sagen, daß wir einfach nicht hinterhergekommen sind, aber das stimmt ja so nicht.

Vielmehr ist es so: die normale Arbeit läuft einfach nicht. Für regulär in einer Kommune anfallende Aufgaben wie Kitaplätze und Schulhausbau müssen wir erst Taskforces gründen, damit sich was bewegt. Motto: und wenn ich mal nicht weiterweiß, dann gründ‘ ich einen Arbeitskreis.

Herr Oberbürgermeister: bei jeder Gelegenheit, wenn der Stadtrat mal die Verwaltungsabläufe per Antrag etwas verbessern will, beanspruchen Sie sehr nachdrücklich, daß Ihnen die Organisationshoheit der Verwaltung obliegt. D’accord. Dann müssen Sie sich aber hier und heute auch gefallen lassen, wenn ich Ihnen sage, daß meine Fraktion Sie hier und jetzt eben für dieses Versagen der Verwaltung verantwortlich macht.

Denn auch hier gehört zur Haushaltswahrheit, daß aktuell offene Stadtratsbeschlüsse im Wert von über einer halben Milliarde Euro von Ihnen, Herr Jung, nicht umgesetzt wurden und werden. Denn Haushaltsausgabereste sind nichts anderes als die vom Stadtrat beschlossenen Investitionen, die von der Verwaltung noch nicht abgearbeitet wurden. Sie sind Chef der Verwaltung, das wäre Ihre Aufgabe gewesen!

Zurück zu unserem Ansatz: Wir als Fraktion haben uns daher streng fokussiert und die Teile des Haushalts in den Blick genommen, die der unmittelbaren und strategischen Nachjustierung bedürfen.

Ich greife hier zuallererst einfach mal das Personalamt raus, das ja als Herzstück all die guten Fachkräfte ranschaffen soll, die unsere eben erwähnten Pflichtaufgaben abzuwickeln haben. Ohne gute Leute geht es nicht, weder bei Personalgewinnung noch bei Personalentwicklung.

Wir regen daher für die Weitergabe von Fachwissen einen Stellenpool an, aus dem Stunden geschöpft werden können, um den Übergang zwischen altem und dem Anlernen neuen Personals zu gestalten.

Mir wiederum fiel die aus meiner Sicht erschreckend niedrige Zahl zusätzlicher Stellen im Personalamt auf. Hier sehe ich Handlungsbedarf – wir werden sehen, ob die Verwaltung ihre Rechnung nochmal überdenkt.

Eine andere wichtige Baustelle ist das – bisher deutlich unzureichende – Qualitätsmanagement, gerade im Bereich Soziales. Hier sehen wir Bedarf für Evaluationsmaßnahmen, ob die von uns ausgereichten Gelder immer noch sinnvoll, angemessen und zweckdienlich eingesetzt sind. Eventuell – und so kriegen wir das raus, meine Damen und Herren – sind ja ganz andere, bisher ungeförderte Projekte der Stein der Weisen.

Um zu vermeiden, zu all den bisherigen Taskforces auch noch plötzlich eine für Verkehr gründen zu müssen, haben wir auch hier einen Antrag platziert, um die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs auf ein festes und nachhaltiges Fundament zu stellen.

Erlauben Sie mir noch eine persönliche Bemerkung zum Schluß: natürlich kann es nicht ausschließlich darum gehen, sich den Pflichtaufgaben zu stellen. Damit würde jede Idee, jeder Gedanke, jede Fantasie im Keim erstickt. Man muß als Kommune ein bißchen mehr als das Mindestmaß machen, denn nur die nicht-pflichtigen Aufgaben führen dazu, daß man als Stadt ein Gesicht bekommt, sich der Charakter der Stadt schärft, man sich von anderen Städten abgrenzt.

Deswegen habe ich bewußt auch Anträge gestellt, die die Lebens- und Aufenthaltsqualität bei eher überschaubarem Einsatz enorm stärken und Leipzig ein Stück liebens- und lebenswerter machen. In einer wachsenden Stadt mit immer weniger Freiräumen ist das nicht nur mittelwichtig, sondern richtig wichtig.

Sie sehen, man kann auch mit kleinen gezielten Anträgen eine große Verbesserung erreichen. Insgesamt erlaubt der Haushalt wieder mit Blick auf die Konsolidierung keine großen Sprünge, aber etwas Spielraum ist immerhin.

Lassen Sie uns diesen nicht mit Kleinklein verplempern, sondern gezielt strategisch nachhaltig nutzen, um Leipzig mit der nun auslaufenden Legislaturperiode nochmal ein gutes Stück voranzubringen. Daß wiederum Oberbürgermeister sein tatsächlich mehr ist, als Ratsversammlungen leiten und Grußworte sprechen, wird übernächstes Jahr dann nochmal ausführlicher diskutiert werden.

Über

Leipzigerin aus Leidenschaft. Verliebt in die Stadt. Mutter eines Zirkuskaters. Kennt die beste Eisdiele der Stadt.